Wohnungsnot und Delogierungswahnsinn

Im Wohnen zeichnet sich zunehmend ein Verteilungsproblem ab. Während die einen in Wohnraum als Ware investieren, bleibt Wohnen für viele Menschen ein unzureichend erfülltes Grundbedürfnis. Die jüngsten Statistiken über Räumungsklagen und Delogierungen verzeichnen einen deutlichen Anstieg.

Die zunehmende Wohnungsnot ist ein Problem, das sich nicht weiter individualisieren lässt.

Die neue Wohnungsfrage

Die Folgen der Pandemie, Kriegsgeschehen und Klimakatastrophe stellen unsere Gesellschaft vor Herausforderungen einer multiplen Krise, die soziale Ungleichheiten verschärfen lässt. Hinzu kam zuletzt eine Inflationsentwicklung, die massive Anstiege in den Lebenserhaltungs- und Wohnkosten brachte, und eine Lohnentwicklung, die weiter hinterherhinkt. Im Bereich der Wohnungsmieten lag die Inflationsentwicklung Österreichs knapp vier Prozentpunkte über dem Euroraum. Der gesellschaftliche Konsens, Wohnen sei ein Grundbedürfnis und Menschenrecht, wird von zunehmenden Finanzialisierungstendenzen von Wohnen als Anlageprodukt untergraben und umgedeutet.

Am Beispiel Wiens zeigte sich zuletzt, wie es trotz eines regelrechten Neubaubooms zu einer eklatanten Preisentwicklung kam. Das Überangebot an Wohnungen wirkte sich nicht preisdämpfend auf den Wohnungsmarkt aus, sondern führte seit 2008 zu einer Preissteigerung der Eigentumspreise um 153 Prozent und zu einem Anstieg der privaten Neuvertragsmieten von 67 Prozent.

Die steigenden Mieten führen zu einer zunehmenden Belastung breiter Bevölkerungsgruppen, wie die quartalsweise durchgeführte Panelbefragung „So geht’s uns heute“ der Statistik Austria zeigt. Seit 2022 kommt es zu einer spürbar höheren Belastung durch Wohnkosten (inkl. Betriebskosten und Energie) bei Mieter:innen. Zwar sind die Sorgen vor Zahlungsverzug sowie der tatsächliche Zahlungsverzug bei Mieten und Wohnkosten nach einem Hoch 2022 rückläufig, dennoch gaben im vierten Quartal 2023 sieben Prozent aller befragten Personen an, in den vergangenen drei Monaten zumindest einmal mit einer Wohnkostenzahlung in Verzug gewesen zu sein. Bei niedrigem Einkommen (monatliches Haushaltseinkommen unter 1.000 Euro) waren gar 23,3 Prozent mit Wohnkostenzahlungen im Verzug.

04. April 2024

Sina Moussa-Lipp, Florian Baumgarten

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