WAS BRINGT EUROPA FÜR UNSERE ARBEITSWELT?

Viele politische Entscheidungen werden gemeinsam in Brüssel getroffen und nicht im einzelnen Nationalstaat. Welche Auswirkungen hat das auf mich als Arbeitnehmer:in und auf meine Rechte in der Arbeitswelt?

Wenn wir an Brüssel denken, fallen uns zunächst oft die neuen Glühbirnen oder die Lebensmittelstandards ein. Doch vom Eurobetriebsrat über die Lohngleichheit bis hin zur Konzernbesteuerung treffen Parlament, Rat und Kommission Entscheidungen, die auch auf unsere Arbeitswelt konkrete und positive Auswirkungen haben. Die Brüsseler Verhandlungsergebnisse, so die Internationale Sekretärin der Gewerkschaft GPA, Sophia Reisecker, müssen zu Hause oft aufbereitet und erklärt werden. Denn: „Viele unserer gewerkschaftlichen Debatten auf EU-Ebene sind sehr technisch. Es ist Teil meines Jobs, unsere Betriebsrät:innen und unsere Mitglieder zu informieren und ihnen Brüssel näher zu bringen.“ Der Einsatz als Gewerkschafterin in der EU lohnt sich, findet Reisecker, „Man braucht einen langen Atem, doch am Ende kann man vieles bewegen!“

FORTSCHRITTLICHE REGELUNGEN
Evelyn Regner, EU-Abgeordnete, Gewerkschafterin und Vizepräsidentin des europäischen Parlaments, sieht das ganz ähnlich. Oft dauert es außerdem mehrere Jahre, bis Richtlinien, die das Parlament in Brüssel verabschiedet, in nationales Recht umgesetzt werden. „Daher ist vielen in Österreich nicht bewusst, welche Änderungen zum Besseren ursprünglich in Brüssel angestoßen wurden! Gerade die letzten Jahre waren für die Rechte der Arbeitnehmer:innen sehr produktiv, wir konnten etliche wichtige Fortschritte erzielen.“ Eine dieser fortschrittlichen Regelungen ist unter dem Kürzel „ESG“ aktuell in österreichischen Betrieben mit mehr als 500 Beschäftigten in aller Munde. ESG, das steht für Environment, Social, Governance (dt. Umwelt, Soziales, Unternehmensführung). Gemeint ist die neue EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung. Sie sieht vor, dass Betriebe in diesen drei Bereichen dokumentieren müssen, was sie dafür tun, um nachhaltiger zu wirtschaften. Und zwar nicht nur in Bezug auf die Umwelt, sondern auch für die Belegschaft! „Die Betriebe müssen also nicht nur finanzielle Bilanz legen, sondern sich auch für ihre sozialen und umweltpolitischen Entscheidungen rechtfertigen“, sagt Reisecker. Das eröffnet für die Betriebsrät:innen dieser Unternehmen neue Perspektiven: Die Belegschaftsvertretungen bekommen bessere Rechte und der soziale Dialog wird gestärkt.

LOHNTRANSPARENZ
Ein weiterer wichtiger Erfolg in Brüssel war die Richtlinie zur Lohntransparenz, die die Gleichstellung im Unternehmen endlich voranbringen wird. Die EU-Mitgliedstaaten müssen sie derzeit in nationales Recht umsetzen. Worum geht es? Alle EU-Unternehmen müssen Beschäftigte künftig transparent über Bezahlung für gleiche und gleichwertige Arbeit informieren. Wenn Betriebe (mit mehr als 100 Beschäftigten) nichts gegen ein Lohngefälle von mehr als fünf Prozent unternehmen, drohen außerdem hohe Strafen.

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