„Die ideale Schule ist so viel mehr als akademisches Lernen“

Defizite in der Förderung, vererbter schulischer Erfolg und Lehrkräfte unter Dauerdruck. Österreichs Schulsystem hat seine Probleme. Bildungsexpertin Heidi Schrodt erklärt im Interview, wie Schule funktionieren müsste, damit sie allen Schüler:innen gerecht wird.

Die Kinder, die heute die Schule besuchen, sind die dringend gebrauchten potenziellen Fachkräfte von morgen. Doch Österreichs Schulsystem versagt weiterhin sowohl in der Förderung von Schüler:innen mit Entwicklungs- und Bildungsdefiziten als auch von begabten und hochbegabten Kindern und Jugendlichen. Die Bildungsexpertin Heidi Schrodt erklärt im Interview mit der Arbeit&Wirtschaft, wie die Schule von morgen aussehen müsste.

Heidi Schrodt im Interview

Arbeit&Wirtschaft: Diesen Mai wurden die Ergebnisse der jüngsten internationalen Lesestudie PIRLS (Progress in International Reading Literacy Study) veröffentlicht. Sie haben gezeigt, dass in Österreich jedes fünfte Kind nicht sinnerfassend lesen kann. Gleichzeitig ergab die Auswertung der Ergebnisse, dass es auch bei der Lesekompetenz stark auf den sozioökonomischen Hintergrund der Eltern ankommt. Das weist darauf hin, dass Bildungsungleichheit weiter fortgeschrieben wird, ein Befund, der seit vielen Jahren immer wieder durch Studien bestätigt wird. Warum ändert sich daran nichts?

Heidi Schrodt: Die, die in der Schule arbeiten, wissen das seit Jahrzehnten. Aber seit der Veröffentlichung der ersten PISA-Studie, einer Bildungsvergleichsstudie, gibt es dazu auch hard facts. Und das war vor 23 Jahren. Was sind die Hauptursachen? Da gibt es eine ganze Reihe. Kinder, die von zu Hause aus mit Bildungsrückständen in den Kindergarten kommen, können auch dort nicht aufholen, weil es viel zu große Gruppen gibt und die Ausbildung der Elementarpädagog:innen nicht adäquat ist. Wir sind inzwischen das einzige Land in der OECD, in dem diese Ausbildung nicht auf tertiärem Niveau – als auf der Uni oder Fachhochschule – stattfindet. In Wahrheit gehört aber noch früher angesetzt. In Finnland oder Norwegen findet zum Beispiel aufsuchende Familienarbeit von Geburt an statt. Das heißt in Familien, wo man davon ausgehen kann, dass ein Kind nicht genügend Förderung bekommt, wird Unterstützung angeboten. Verschärft wird bei uns die Problematik dadurch, dass es nur ein verpflichtendes Kindergartenjahr gibt.

Weiterlesen Heidi Schrodt: „Bei uns haben Tests das Ziel auszusortieren“ (arbeit-wirtschaft.at)

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