Diagnose Systemversagen: Wenn Gesundheit zur Frage des Einkommens wird
Nur mehr vier von zehn Patient:innen sind zufrieden mit dem österreichischen Gesundheitswesen. Angebotsdefizite und lange Wartezeiten bewegen immer mehr Versicherte dazu, Wahlärzt:innen aufzusuchen und private Versicherungen abzuschließen.

Die damit verbundenen Zusatzkosten stellen für ohnehin schon unter Druck stehende Haushalte eine große Belastung dar. Die Kassenreform hat die Mitbestimmung der Versicherten geschwächt, Leistungskürzungen und eine schleichende Privatisierung sind die Folge.
Gleiche Gesundheitsversorgung für alle? – Anspruch und Realität klaffen auseinander
Im öffentlichen Gesundheitsportal der Republik heißt es, „der gleiche und einfache Zugang zu allen Gesundheitsleistungen […] unabhängig von Alter, Wohnort, Herkunft und sozialem Status“ sei ein „wesentliches Merkmal des österreichischen Gesundheitssystems“. Ist dem tatsächlich (immer noch) so? Jüngste Befragungsergebnisse lassen jedenfalls Zweifel daran aufkommen. Im Rahmen des Arbeitsklima Index (AK Oberösterreich/IFES) wurden Ende 2024 österreichweit rund 1.200 Arbeitnehmer:innen und Arbeitslose zu ihrer Sichtweise auf das österreichische Gesundheitssystem befragt.
Dabei zeigt sich: Die Zufriedenheit mit dem Gesundheitswesen hängt stark vom Einkommen ab. Unter jenen, die sehr gut von ihrem Einkommen leben können, sind 66 Prozent zufrieden (Werte 7–10 auf einer Skala von 0–10). Ist das Einkommen hingegen kaum ausreichend, sind es nur 25 Prozent. Auch im Zeitverlauf ist ein Rückgang der Zufriedenheit erkennbar – etwa im Vergleich mit dem Austrian Health Report, bei dem identische Fragen gestellt wurden.
Geschlechtsspezifische Unterschiede werden ebenfalls deutlich: Frauen (41 Prozent) sind mit dem Gesundheitssystem (noch) weniger zufrieden als Männer (49 Prozent). Das liegt auch am schlecht ausgebauten Angebot an Frauen-, Kinder- und Jugendmedizin, bei dem es dringend Verbesserungen braucht, etwa durch spezialisierte Primärversorgungszentren. Österreichweit ist die Zufriedenheit in Wien am höchsten (50 Prozent) und in Niederösterreich am niedrigsten (41 Prozent). In urbanen Räumen ist die Zufriedenheit allgemein etwas höher als in ländlichen Gegenden.
Vom Recht auf Gesundheit zur Frage des Geldbörsels
Ein weiteres Indiz, dass es um den gleichen und einfachen Zugang zu öffentlichen Gesundheitsleistungen nicht gut bestellt ist, ist die wachsende Zahl an Privatversicherungen und an Wahlärzt:innen. Private Haushalte werden durch Zusatzkosten für Gesundheit stark belastet, viele können sich diese gar nicht leisten. Bereits jetzt betragen die privaten Gesundheitsausgaben rund 23 Prozent an den gesamten laufenden Gesundheitsausgaben.
Nur 14 Prozent aller Arbeitnehmer:innen konsultieren ausschließlich Kassenordinationen. Auch hier spielt das Einkommen eine Rolle: Wer gut verdient, greift häufiger auf Gesundheitsleistungen abseits des öffentlichen Systems zurück. Der Anteil der rein öffentlich versorgten Patient:innen liegt unter Personen mit sehr gutem Einkommen nur bei 11 Prozent, während er bei jenen mit unzureichendem Einkommen 27 Prozent beträgt.
11. Juni 2025
Sophie Riedl, Martin Oppenauer
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