Vor der nächsten Erweiterungsrunde: Erweiterung erst, wenn die EU aufnahmefähig ist!
Nach den EU-Wahlen 2024 werden die Vorbereitungsarbeiten auf eine größere Union anlaufen. Die kommende Erweiterungsrunde ist politisch brisant, ökonomisch herausfordernd und in der Öffentlichkeit sehr umstritten. Mehr als bei früheren Erweiterungen wird es diesmal auf die Frage ankommen, ob die Union überhaupt erweiterungsfähig ist. Dazu erste Überlegungen.

Die Europäische Union steht vor einer möglichen weiteren Erweiterungsrunde, die mehrere Länder umfasst: Westbalkanstaaten (Albanien, Bosnien-Herzegowina, Montenegro, Nordmazedonien, Serbien), Ukraine, Republik Moldau und Georgien. Alle diese Länder sind Beitrittskandidaten bzw. stehen bereits im Verhandlungsprozess. Dazu kommt die Republik Kosovo, die 2022 einen Beitrittsantrag gestellt hat, aber vor der Herausforderung steht, dass der völkerrechtliche Status des Landes umstritten ist, u.a. erkennen Serbien, China, Russland, aber auch fünf der 27 EU-Mitgliedstaaten (Griechenland, Rumänien, die Slowakei, Spanien und die Republik Zypern) die Unabhängigkeit des Landes nicht an. Die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei sind seit 2018 eingefroren. Zuletzt hat auch Armenien die Möglichkeit eines Beitrittsantrags in den Raum gestellt.
Brisante politische Dimension
Die politische Dimension dieser Erweiterungsrunde unterscheidet sich fundamental von früheren Erweiterungen. Am 1. Mai 2004 sind zehn europäischen Staaten der EU beigetreten, davon mit Estland, Litauen und Lettland drei ehemaligen Unionsrepubliken der Ende 1991 aufgelösten UdSSR. Auch diesmal bewerben sich mit Georgien, der Republik Moldau und der Ukraine drei ehemalige sowjetische Unionsrepubliken um einen Beitritt zur Europäischen Union, diesmal jedoch in einem völlig veränderten geopolitischen Umfeld. Mit der Annexion der Krim durch Russland und der Besetzung weiter Teile der Ostukraine zieht sich ein neuer Eiserner Vorhang durch Europa, in zwei Regionen Georgiens (Abchasien, Südossetien) sind seit Jahren russische Truppen stationiert. Ungelöst ist auch der Konflikt um die im Osten der Republik Moldau gelegene Region Transnistrien, in der ebenfalls russische Truppen stationiert sind und im Jahr 2006 eine große Mehrheit der Bevölkerung für eine Integration in die Russische Föderation votierte.
Nach dem zweiten Jahrestag der russischen Invasion ist offensichtlich geworden, dass die Ukraine trotz der Unterstützung durch die USA und EU nicht über die notwendigen militärischen Kapazitäten verfügt, um die von Russland besetzten bzw. annektierten Gebiete zurückzuerobern. Vor diesem Hintergrund und angesichts der Entwicklungen in Transnistrien und den abtrünnigen Gebieten in Georgien sollten die Beitrittsverhandlungen parallel zu Verhandlungen zur Schaffung einer neuen gesamteuropäischen Sicherheitsarchitektur geführt werden.
Abb.1. Europäischer Staatenverbund im Zeitverlauf © Maximilian Dörrbecker (Chumwa), CC BY-SA 2.0 Creative Commons via Wikimedia Commons Karte EU-Erweiterungen.png – Wikipedia,
Autor: Norbert Templ
Weiterlesen EU-Erweiterung erst, wenn die EU aufnahmefähig ist | Arbeiterkammer Wien