Wohlstandsfalle Teilzeit?

Der damalige Arbeitsminister Kocher schlug 2023 vor, dass Teilzeitbeschäftigte geringere Sozialleistungen erhalten sollen, freilich ohne den undurchdachten Vorschlag zu konkretisieren. Zuletzt hat die niederösterreichische Landeshauptfrau Mikl-Leitner Teilzeitbeschäftigte ohne Betreuungspflichten gar als „asozial“ bezeichnet.

WIFO-Direktor Gabriel Felbermayr meinte auch: „Wir müssen dafür sorgen, dass sich Teilzeit weniger lohnt, dass wir mehr Menschen in Vollzeit haben, dass es sich lohnt, länger zu arbeiten.“ Und die Agenda Austria sieht es wie die Wirtschaftskammer: Kürzer (bezahlt) arbeiten bringe weniger Wohlstand. Die hohe Verbreitung von Teilzeit liege an falschen Anreizen.

Wenn man diese „Debatte“ verfolgt, stellen sich mehrere Fragen. Wird heute wirklich weniger gearbeitet als früher? Geht die Vollzeitbeschäftigung zurück? Ist ein Wohlstandsbegriff, der Wohlstand mit hohem BIP durch möglichst lange Arbeitszeiten definiert, im 21. Jahrhundert wirklich passend? Warum verfallen (Wirtschafts-)Liberale, die sonst den Wert der Wahlfreiheit hochhalten, in paternalistisch-autoritäre Anwandlungen, um Menschen dazu zu bringen, länger bezahlt arbeiten (wollen) zu müssen.

Teilzeit, weil sich Vollzeit nicht rechnet?

Die Teilzeitquote hat sich seit Mitte der 1990er mehr als verdoppelt. 2023 lag sie bei Männern bei 13,4% und bei Frauen bei 50,6%. Männer haben 2/3 der Vollzeitarbeitsplätze und Frauen über 80% der Teilzeitstellen. Frauen haben weniger bezahlte Erwerbsarbeitszeiten, aber übernehmen den Großteil der unbezahlten Arbeit, selbst wenn sie mehr verdienen als der Partner. Die Zeitverwendungsstudie 2021/22 zeigt das krasse Missverhältnis in der Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit:

Männer machen 60% der bezahlten und 37% der unbezahlten Arbeit.

Frauen machen 40% der bezahlten und 63% der unbezahlten Arbeit.

In der Diskussion auszublenden, dass Teilzeitbeschäftigung zwischen den Geschlechtern völlig ungleich verteilt ist und für Frauen mit einem lebenslang geringeren Einkommen verbunden ist, ist provokant ignorant.

Warum wird Teilzeit gearbeitet?

Es gibt viele Gründe, warum Menschen Teilzeit arbeiten. Häufig ist es naheliegenderweise die Notwendigkeit, Erwerbstätigkeit und Betreuung zu vereinbaren. Bei 420.000 Frauen ist das der Fall, demgegenüber aber nur bei 26.000 Männern.

Wer mit falschen Anreizsystemen argumentiert, ignoriert das und verweist lediglich darauf, dass es mehr Menschen gibt, die keine Vollzeit wünschen, als solche, die keine Vollzeitstelle gefunden haben. Das stimmt zwar, ignoriert aber, dass der relativ häufigste Grund für Teilzeit die unbezahlte Betreuungsarbeit ist.

01. April 2025

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