Oft übersehen,falsch behandelt
Frauen sind in der Gesundheitsversorgung
immer noch oft benachteiligt.
Gendermedizin und betriebliche Gesundheitsförderung können das ändern.

Sarah (45) sitzt in ihrem Büro und spürt plötzlich einen dumpfen Schmerz in der Brust. Sie fühlt sich müde, ihr ist übel. Im Krankenhaus sagt man ihr: „Sie sind sicher nur überlastet, treten Sie ein bisschen kürzer.“ Zwei Tage später liegt sie auf der Intensivstation – Herzinfarkt. Was Sarah zum Verhängnis wurde: Bei Frauen zeigt sich ein Herzinfarkt oft anders als bei Männern. Und genau da liegt das Problem.
Stilles Leiden: Es geht um mehr als Herzprobleme
„Herzinfarkte sind die häufigste Todesursache bei Frauen. Sie werden oft übersehen, weil die Symptome andere sind als bei Männern“, erklärt ÖGB-Gesundheitsexpertin Claudia Neumayer Stickler. Es geht aber nicht nur um Herzprobleme.
Ob Rückenschmerzen, Kopfschmerzen oder andere Beschwerden – Frauen werden oft nicht ernst genommen und ihre Beschwerden auf psychische Ursachen zurückgeführt. Der Grund für diese Fehleinschätzung ist tief verwurzelt: Die Medizin wurde jahrzehntelang von Männern für Männer gemacht. Die meisten Medikamente wurden an Männern getestet, die meisten Symptombeschreibungen auf männliche Patienten zugeschnitten. Was bei Frauen anders ist, wurde schlicht nicht untersucht.
Große Herausforderung: Wechseljahre im Job
Die mangelnde Aufmerksamkeit für Frauengesundheit ist auch in der Arbeitswelt problematisch: Laut einer Studie, die im Rahmen des Projekts „MenoSupportAustria“ durchgeführt wurde, sind die Wechseljahre am Arbeitsplatz immer noch ein Tabu. Dabei leidet jede dritte Frau unter starken Beschwerden, die sie in ihrer Arbeit deutlich belasten. 62 Prozent der Befragten geben an, kein unterstützendes Arbeitsumfeld zu haben, und reduzieren aus diesem Grund ihre Arbeitszeit oder denken sogar darüber nach, früher in Pension zu gehen.
Arbeitgeber müssen daher die Arbeitsbedingungen so anpassen, dass Frauen diese Phase möglichst beschwerdefrei erleben. Dass das möglich ist und wie es geht, zeigen bereits viele Firmen, etwa in Großbritannien. Sie bieten flexible Arbeitszeiten an, schulen ihre Führungskräfte und haben ein offenes Gesprächsklima geschaffen. „Wenn alle verstehen, was los ist, muss sich niemand mehr verstecken“, bringt es ÖGB-Expertin Dorottya Kickinger auf den Punkt: „Bereits kleine Änderungen können einen großen Unterschied machen.“
Gesundheitsförderung ist mehr als ein Obstkorb
Wenn wir Frauengesundheit ernst nehmen, können wir viel erreichen – besonders auch am Arbeitsplatz. „Aber leider verstehen noch immer viele Arbeitgeber nicht, dass betriebliche Gesundheitsförderung mehr ist als ein Obstkorb am Arbeitsplatz“, sagt ÖGB-Gesundheitsexpertin Julia Stroj. Betriebliche Gesundheitsförderung (BGF) geht viel weiter. Sie sorgt dafür, dass sich Beschäftigte im Job wohlfühlen – physisch und psychisch. Sie umfasst Maßnahmen wie gesunde Ernährung und Stressbewältigung, aber auch bessere Arbeitsbedingungen, etwa flexible Arbeitszeiten und einen respektvollen Umgangston im Team.
TEXT TOUMAJ FARAGHEH, AMELA MURATOVIC
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