Ärztemangel in Österreich: immer weniger Kassenärzte, dafür mehr Wahlärzte und Privat-Versicherte
Immer weniger Kassenärzt:innen kümmern sich um immer mehr Patient:innen. Österreichs Gesundheitssystem wurde in den vergangenen Jahren schleichend ausgedünnt. In manchen Regionen bleiben Kassenarzt-Ordinationen unbesetzt und es gibt nicht einmal mehr Bereitschaftsdienste.

Gleichzeitig boomen private Krankenversicherungen und immer mehr Wahlärzte bieten ihre Dienste an. Das österreichische Gesundheitssystem hat sich in Richtung einer Zwei-Klassen-Medizin entwickelt.
Aktuell sind in Österreich rund 300 Kassenstellen nicht besetzt. 182 davon in der Allgemeinmedizin. Ein paar hunderttausend Menschen in Österreich haben also keinen Hausarzt in ihrer unmittelbaren Wohnumgebung.
Seit dem Jahr 2000 ist die Zahl der Ärzt:innen mit Kassenvertrag nur minimal, um 1 Prozent gewachsen. Im selben Zeitraum ist die Bevölkerung aber um rund 17 Prozent gewachsen. Während es 2000 insgesamt 8.203 Kassenärzte gab, waren es im Jahr 2023 8.300 – ein Zuwachs von weniger als 100 Kassenärzten.
Das Problem beschränkt sich nicht nur auf Hausarzt-Stellen: Bei den Fachärzt:innen sind die Kinderheilkunde und die Frauenheilkunde große Problemfelder. Von 2017 bis 2023 ging auch die Zahl der Kassenstellen bei Chirurg:innen um 16 zurück. Bei Hautärzt:innen sogar um 79 Stellen. Das wirkt sich auf die Versorgungssicherheit aus: Auf eine Hautärztin kommen im Durchschnitt 36.634 Einwohner:innen. (Quelle: parlamentarische Anfrage der SPÖ)
Immer mehr private Hautärzte
Der Anteil der Wahlärzt:innen stieg von 58% im Jahr 2017 auf 71% im Jahr 2023.
„Fünf-Minuten-Medizin” in Österreich?
Dass weniger Kassenärzt:innen eine höhere Anzahl von Patient:innen versorgen müssen, stellte auch der Rechnungshof in seinem Bericht zur ärztlichen Versorgung von 2021 fest: Eine Hausärztin betreut heute deutlich mehr Patient:innen, insgesamt rund 4.900 Patient:innen im Quartal. Bei Ärzt:innen fallen die Begriffe „Fünf-Minuten-Medizin“ oder „Fließband-Medizin”. Tatsächlich haben Kassenärzt:innen rund fünf bis sieben Minuten pro Patient:in – oft wären aber zwanzig Minuten notwendig, meinen viele Ärzt:innen.
Bis zu 170 Kontakte pro Tag: Ärzte und Ärztinnen wollen mehr Zeit für Patienten haben
100 bis 120 Patient:innen betreut eine Allgemeinmedizinerin durchschnittlich pro Tag, heißt es aus der Ärztekammer (Stand 2023). Laut Rechnungshof kommt es durchschnittlich zu 65 Konsultationen mit E-Card pro Tag (mit einer Bandbreite von 13 bis 178). Kassenärzt:innen verdienen vor allem über die Menge der Behandlungen.
„Den Ärzten geht es nicht darum, dass sie reich werden, aber sie wollen genug Zeit haben, um Beziehung zu den Patienten aufzubauen – diese Zeit muss man ihnen zahlen“, sagt eine Wiener Allgemeinmedizinerin.
Kontrast Redaktion 29. November 2024
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