Wie Österreich zu Fachkräften kommt
Seit Jahren beklagen sich Wirtschaft und Politik über den Fachkräftemangel, dabei sind die Versäumnisse hausgemacht. Wir klären, woran es hakt und wie wir den Turnaround schaffen

Die Suche nach Fachkräften wird in Österreich immer intensiver. Wirklich überraschend ist das nicht. Viele Unternehmen haben sich in den letzten Jahrzehnten schleichend aus der Aus- und Weiterbildung zurückgezogen, während es auch von Seiten der Bundesregierung keine vorausschauende Fachkräftepolitik gegeben hat. Angesichts der Herausforderungen durch Digitalisierung, Klimawandel und demographische Veränderungen müssen wir endlich die richtigen Weichen stellen, um Fachkräfte auszubilden und für den österreichischen Arbeitsmarkt gewinnen zu können.
Immer weniger Lehrlinge
Die Anzahl der Lehrlinge ist zwischen 2012 und 2022 von 125.228 auf 108.085 zurückgegangen (-13,6 Prozent). Besonders große Rückgänge gibt es im Tourismus von 11.304 auf 6.949 Lehrlinge (-39 Prozent). Auch im Gewerbe und Handwerk ist der Rückgang beträchtlich: von 54.392 Lehrlingen 2012 auf 46.913, also um 14 Prozent weniger. Zwar ist das Fehlen von Fachkräften nicht allein auf die mangelnde Ausbildung zurückzuführen, aber sie trägt maßgeblich dazu bei, für Nachwuchs zu sorgen.
Rückgängig ist ebenfalls die betriebliche Weiterbildung von Fachkräften, immer weniger können daran teilnehmen. Seit 2015 nahm der Anteil der weiterbildungsaktiven Unternehmen deutlich ab: von 88 Prozent auf 79 Prozent (- 9 Prozent). Der Anteil der Arbeitnehmer:innen, die von betrieblicher Weiterbildung profitieren konnten, ist ebenfalls um 10 Prozent gesunken. Gleichzeitig investieren private Haushalte immer mehr für Weiterbildung.
Der ÖGB fordert daher, Betriebe in die Pflicht zu nehmen, damit sie ihrer gesellschaftlichen Verantwortung der Ausbildung von Lehrlingen nachkommen. Dazu sollen Weiterbildungsfonds geschaffen werden, die Betriebe, die nicht selbst aus- oder fortbilden (können), verpflichten, Zeit- oder Geldressourcen für ihre Mitarbeiter:innen in einen nationalen Weiterbildungsfonds abzugeben.
Erwerbsbevölkerung schrumpft
Und die Lage spitzt sich weiter zu: Denn tausende Fachkräfte stehen kurz vor der Pension, während die Digitalisierung und die Klimakrise nach zeitgemäß qualifizierten Arbeitskräften verlangen. Und diese verändern die Anforderungen an die Qualifikationen der Mitarbeiter:innen in (nahezu) allen Tätigkeitsbereichen und Berufen. Besonders gravierend ist der Mangel an Fachkräften aber in systemrelevanten Bereichen wie Bildung und Pflege – Bereiche, die unsere Gesellschaft am Laufen halten.
In den nächsten Jahren wird eine große Zahl insbesondere aus der Baby-Boomer-Generation, in Pension gehen. Dadurch sinkt der Anteil der Erwerbstätigen im Haupterwerbsalter, während der Anteil der 55+-Jährigen steigt und mit ihm auch die Zahl gesundheitlich beeinträchtigter Arbeitnehmer:innen. Insgesamt schrumpft die Erwerbsbevölkerung von 2018 bis 2040 um 245.000 Personen.
Betriebe sollten daher das Wissen und die Erfahrung ihrer älteren Fachkräfte durch altersgerechte Arbeitsbedingungen und generationsübergreifende Zusammenarbeit fördern, um den Kompetenztransfer sicherzustellen und den Fachkräftemangel abzufedern.
28. Oktober 2024, Barbara Kasper
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